30. April 2013, 16:16 Uhr Analyse
Die riskante Wette der Deutschen Bank
Von Madeleine Nissen,Wall Street Journal Deutschland
Mit einer überraschenden Kapitalerhöhung hat sich die Deutsche Bank frisches Geld von den Investoren besorgt. Ein geschickter Schachzug. Doch er reicht noch nicht aus, um die Bank gegen all jene Risiken zu wappnen, die vor allem in den USA lauern.
Anshu Jain hat nichts verlernt. Sein Timing für eine Kapitalerhöhung in Milliardenhöhe könnte nicht besser sein. Als Meister der Effizienz schraubte der Co-Vorstandschef der Deutschen Bank die Kosten im Konzern viel stärker runter als erwartet. Mit einem überraschend hohen Quartalsgewinn im Gepäck schaffte der Investmentbanker gekonnt die Grundlage, um die Kapitalerhöhung innerhalb weniger Stunden zu platzieren. Die Aktie schießt nach oben. Doch nicht alle jubeln.
Während an der Börse die Händler begeistert reagierten, sehen Analysten und Investoren die Kapital-Frage für die Bank noch lange nicht als beantwortet an. Analyst Huw Van Steenis von Morgan Stanley rechnet vor: Der Löwenanteil des Geldes wird voraussichtlich in die US-Niederlassungen fließen, um die höheren Kapitalanforderungen an ausländische Banken zu erfüllen. Dabei geht der Analyst nicht vom schlimmsten Fall aus, sondern von einem "Basiszenario". Und dieses sieht schon einen Kapitalbedarf von 7,3 Milliarden US-Dollar vor, den die Deutsche Bank für die US-Tochter bereithalten muss. Aufgenommen hat die Bank am Mittwoch lediglich knapp 3 Milliarden Euro.
Die USA, einer der größten Umsatzbringer der Deutschen Bank außerhalb des Heimatmarktes, drohen derzeit zu einem Kapitaldesaster zu werden. Verärgert über die strengeren Kapitalforderungen nach Basel 3, bei denen insbesondere die deutschen Aufseher auf Einhaltung in den USA pochen, ließ ihre Retourkutsche nicht lange auf sich warten. Die US-Notenbank Fed fordert von den nicht-amerikanischen Banken höhere Kapitalpolster für Krisenzeiten. Bisher wird den Instituten das Eigenkapital der Mutterkonzerne angerechnet.
Die Gefahr ist der Deutschen Bank längst bekannt. Bereits 2010 bereinigte sie große Teile des Investmentbankings, die unter die strengeren Finanzregeln des Dodd Frank Act fallen könnten. Die Bank befürchtete, dass die scharfen Vorschriften dazu zwingen könnten, bis zu 20 Milliarden Dollar frisches Kapital in die US-Einheit zu pumpen. Das geht aus einem internen Vermerk hervor, der dem Wall Street Journal bereits 2011 vorlag.
So ähnlich will die Bank auch in Zukunft vorgehen: Alles, was die US-Bilanz belasten könnte, werde auf andere Töchter verlagert, kündigte Finanzvorstand Stephan Krause bei der Analystenkonferenz an. Und verteilte gleich eine zweite Beruhigungspille mit: Die Bank sei auch für den schlimmsten Fall gewappnet.
Black Box Deutsche Bank
Doch die Analysten gaben sich damit nicht zufrieden. Immer wieder fragten sie nach, um ein Gefühl für das verschachtelte Konstrukt Deutsche Bank zu bekommen.
In der Black Box Deutsche Bank schlummern nicht nur Risiken wie die unklaren Kapitalanforderungen in den USA. Es drohen obendrein Prozesskosten in unklarer Höhe. Eine nicht enden wollende Geschichte, wie den Worten von Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen bei der außerordentlichen Hauptversammlung zu entnehmen war. Auf die Frage der Aktionäre, wann die Bank sich nach mehr als zehn Jahren mit den Kirch-Erben einigen wolle, antworte Fitschen ernüchternd: Es ist kein Ende in Sicht.
Prozesse und kein Ende, das ist die größte Altlast der Deutschen Bank. Sei es in Europa oder in den USA - unzufriedene Kunden gibt es zuhauf. Hinzu kommen drohende Strafzahlungen in Milliardenhöhe, etwa für die Verwicklung in den Skandal um Zinsmanipulationen.
Die Bank bereitet sich darauf vor, sie bildet Rückstellungen. Doch sie schlüsselt diese in der Regel nicht auf. Anshu Jain hält sich an vage Formulierungen wie: "Die Prozesskosten werden auch in Zukunft eine große Bürde sein." Vor Journalisten hatte er jüngst eingeräumt, nicht einschätzen zu können, wie hoch die drohenden Kosten tatsächlich sind. Wenn das unklar ist, dann ist auch ungewiss, ob die zurückgelegten Puffer ausreichen.
Hinzu kommt: Neben ihren zahlreichen Rechtsrisiken muss die Bank noch riskante Vermögenswerte im Volumen von 86 Milliarden Euro loswerden.
Gewinnaussichten trüben sich wieder ein
Diese Vielzahl von Risiken kann die Deutsche Bank nur auf eine Art in den Griff bekommen: durch höhere Einnahmen. Doch ob sich die Gewinne und Kostensenkungen im ersten Jahresviertel auf das Gesamtjahr hochrechnen lassen, ist fraglich. Das erste Quartal ist saisonal stark und hat darüber hinaus von der Wiederbelebung an den Kapitalmärkten profitiert. Der positive Trend an den Börsen ist schon im April wieder abgeflaut. Damit dürfte das Investmentbanking an Schwung verlieren. Auch für das Privatkundengeschäft sind die Bedingungen wegen der historisch niedrigen Zinsen anhaltend schwierig.
Die wirtschaftlichen Aussichten sind bestenfalls gemischt. Die Banken hängen am Tropf der Wirtschaft. Geht es bergauf, profitieren auch sie. Bei einer Rezession schmelzen dagegen die Gewinne - und die Risiken des Kreditbuches wachsen. Wie unsicher die Aussichten sind, steht im Geschäftsbericht der Deutsche Bank schwarz auf weiß: Während Deutschland im ersten Quartal wieder auf einen flachen Wachstumspfad zurückgekehrt ist, hält die Rezession in den übrigen Euroländern nahezu unvermindert an.
Die Rechnung am Ende ist einfach: Auf der einen Seite steht ein enormer Kapitalbedarf, auf der anderen Seite ein schwieriges Geschäftsumfeld.
Anshu Jain will trotz der Unsicherheiten Optimismus ausstrahlen. Die Deutsche Bank gehöre mit einer Kernkapitalquote von 8,8 Prozent zu den besten in der Branche, betont er. Damit kommt er den Investoren und Regulatoren entgegen. "Wir haben gut zugehört", sagt Jain. "Jetzt ist der Hungermarsch zu Ende."
Doch bei den langfristigen Investoren bleiben Zweifel. Hochrangige Investmentbanker schätzen den Kapitalbedarf auf mindestens 6 Milliarden Euro, eventuell bis zu 10 Milliarden Euro. Das sagten zwei Personen, die bei Treffen der Vorstände mit den Investmentbankern anwesend waren. Allein die Spanne zeigt, wie stark die Unsicherheit noch ist.
Klar ist bislang nur: Die Kapitalerhöhung stillt den Hunger, doch satt macht sie noch lange nicht.
Originalartikel auf Wall Street Journal Deutschland
Mitarbeit: Laura Stevens
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Die riskante Wette der Deutschen Bank
Von Madeleine Nissen,Wall Street Journal Deutschland
Mit einer überraschenden Kapitalerhöhung hat sich die Deutsche Bank frisches Geld von den Investoren besorgt. Ein geschickter Schachzug. Doch er reicht noch nicht aus, um die Bank gegen all jene Risiken zu wappnen, die vor allem in den USA lauern.
Anshu Jain hat nichts verlernt. Sein Timing für eine Kapitalerhöhung in Milliardenhöhe könnte nicht besser sein. Als Meister der Effizienz schraubte der Co-Vorstandschef der Deutschen Bank die Kosten im Konzern viel stärker runter als erwartet. Mit einem überraschend hohen Quartalsgewinn im Gepäck schaffte der Investmentbanker gekonnt die Grundlage, um die Kapitalerhöhung innerhalb weniger Stunden zu platzieren. Die Aktie schießt nach oben. Doch nicht alle jubeln.
Während an der Börse die Händler begeistert reagierten, sehen Analysten und Investoren die Kapital-Frage für die Bank noch lange nicht als beantwortet an. Analyst Huw Van Steenis von Morgan Stanley rechnet vor: Der Löwenanteil des Geldes wird voraussichtlich in die US-Niederlassungen fließen, um die höheren Kapitalanforderungen an ausländische Banken zu erfüllen. Dabei geht der Analyst nicht vom schlimmsten Fall aus, sondern von einem "Basiszenario". Und dieses sieht schon einen Kapitalbedarf von 7,3 Milliarden US-Dollar vor, den die Deutsche Bank für die US-Tochter bereithalten muss. Aufgenommen hat die Bank am Mittwoch lediglich knapp 3 Milliarden Euro.
Die USA, einer der größten Umsatzbringer der Deutschen Bank außerhalb des Heimatmarktes, drohen derzeit zu einem Kapitaldesaster zu werden. Verärgert über die strengeren Kapitalforderungen nach Basel 3, bei denen insbesondere die deutschen Aufseher auf Einhaltung in den USA pochen, ließ ihre Retourkutsche nicht lange auf sich warten. Die US-Notenbank Fed fordert von den nicht-amerikanischen Banken höhere Kapitalpolster für Krisenzeiten. Bisher wird den Instituten das Eigenkapital der Mutterkonzerne angerechnet.
Die Gefahr ist der Deutschen Bank längst bekannt. Bereits 2010 bereinigte sie große Teile des Investmentbankings, die unter die strengeren Finanzregeln des Dodd Frank Act fallen könnten. Die Bank befürchtete, dass die scharfen Vorschriften dazu zwingen könnten, bis zu 20 Milliarden Dollar frisches Kapital in die US-Einheit zu pumpen. Das geht aus einem internen Vermerk hervor, der dem Wall Street Journal bereits 2011 vorlag.
So ähnlich will die Bank auch in Zukunft vorgehen: Alles, was die US-Bilanz belasten könnte, werde auf andere Töchter verlagert, kündigte Finanzvorstand Stephan Krause bei der Analystenkonferenz an. Und verteilte gleich eine zweite Beruhigungspille mit: Die Bank sei auch für den schlimmsten Fall gewappnet.
Black Box Deutsche Bank
Doch die Analysten gaben sich damit nicht zufrieden. Immer wieder fragten sie nach, um ein Gefühl für das verschachtelte Konstrukt Deutsche Bank zu bekommen.
In der Black Box Deutsche Bank schlummern nicht nur Risiken wie die unklaren Kapitalanforderungen in den USA. Es drohen obendrein Prozesskosten in unklarer Höhe. Eine nicht enden wollende Geschichte, wie den Worten von Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen bei der außerordentlichen Hauptversammlung zu entnehmen war. Auf die Frage der Aktionäre, wann die Bank sich nach mehr als zehn Jahren mit den Kirch-Erben einigen wolle, antworte Fitschen ernüchternd: Es ist kein Ende in Sicht.
Prozesse und kein Ende, das ist die größte Altlast der Deutschen Bank. Sei es in Europa oder in den USA - unzufriedene Kunden gibt es zuhauf. Hinzu kommen drohende Strafzahlungen in Milliardenhöhe, etwa für die Verwicklung in den Skandal um Zinsmanipulationen.
Die Bank bereitet sich darauf vor, sie bildet Rückstellungen. Doch sie schlüsselt diese in der Regel nicht auf. Anshu Jain hält sich an vage Formulierungen wie: "Die Prozesskosten werden auch in Zukunft eine große Bürde sein." Vor Journalisten hatte er jüngst eingeräumt, nicht einschätzen zu können, wie hoch die drohenden Kosten tatsächlich sind. Wenn das unklar ist, dann ist auch ungewiss, ob die zurückgelegten Puffer ausreichen.
Hinzu kommt: Neben ihren zahlreichen Rechtsrisiken muss die Bank noch riskante Vermögenswerte im Volumen von 86 Milliarden Euro loswerden.
Gewinnaussichten trüben sich wieder ein
Diese Vielzahl von Risiken kann die Deutsche Bank nur auf eine Art in den Griff bekommen: durch höhere Einnahmen. Doch ob sich die Gewinne und Kostensenkungen im ersten Jahresviertel auf das Gesamtjahr hochrechnen lassen, ist fraglich. Das erste Quartal ist saisonal stark und hat darüber hinaus von der Wiederbelebung an den Kapitalmärkten profitiert. Der positive Trend an den Börsen ist schon im April wieder abgeflaut. Damit dürfte das Investmentbanking an Schwung verlieren. Auch für das Privatkundengeschäft sind die Bedingungen wegen der historisch niedrigen Zinsen anhaltend schwierig.
Die wirtschaftlichen Aussichten sind bestenfalls gemischt. Die Banken hängen am Tropf der Wirtschaft. Geht es bergauf, profitieren auch sie. Bei einer Rezession schmelzen dagegen die Gewinne - und die Risiken des Kreditbuches wachsen. Wie unsicher die Aussichten sind, steht im Geschäftsbericht der Deutsche Bank schwarz auf weiß: Während Deutschland im ersten Quartal wieder auf einen flachen Wachstumspfad zurückgekehrt ist, hält die Rezession in den übrigen Euroländern nahezu unvermindert an.
Die Rechnung am Ende ist einfach: Auf der einen Seite steht ein enormer Kapitalbedarf, auf der anderen Seite ein schwieriges Geschäftsumfeld.
Anshu Jain will trotz der Unsicherheiten Optimismus ausstrahlen. Die Deutsche Bank gehöre mit einer Kernkapitalquote von 8,8 Prozent zu den besten in der Branche, betont er. Damit kommt er den Investoren und Regulatoren entgegen. "Wir haben gut zugehört", sagt Jain. "Jetzt ist der Hungermarsch zu Ende."
Doch bei den langfristigen Investoren bleiben Zweifel. Hochrangige Investmentbanker schätzen den Kapitalbedarf auf mindestens 6 Milliarden Euro, eventuell bis zu 10 Milliarden Euro. Das sagten zwei Personen, die bei Treffen der Vorstände mit den Investmentbankern anwesend waren. Allein die Spanne zeigt, wie stark die Unsicherheit noch ist.
Klar ist bislang nur: Die Kapitalerhöhung stillt den Hunger, doch satt macht sie noch lange nicht.
Originalartikel auf Wall Street Journal Deutschland
Mitarbeit: Laura Stevens
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