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27. Juni 2013, 07:49 Uhr
Neue Banken-Haftungsregeln
EU macht Zypern-Plan zum Bankenrettungs-Standard
Das Geradestehen von Aktionären für ihre strauchelnde Banken auf Zypern war revolutionär, bis dato zahlten die Steuerzahler. Jetzt hat die EU das Zypern-System zur Basis für künftige Bankenrettungen in der EU gemacht. Ein wichtiger Streitpunkt für Deutschland ist aber noch nicht gelöst.
Brüssel - Was war es für eine Verwirrung nachdem große Banken Zyperns in Richtung Pleite rutschten. Plötzlich sollten die Besitzer der Bank mithelfen, die strauchelnden Geldhäuser zu retten,reichere Kontobeseitzer ebenfalls - und nicht ausschließlich einfach die anonyme Masse der Steuerzahler der europäischen Union. Und noch revolutionärer: Der gerade neu angetretene Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem aus den Niederlanden will dieses Vorgehen als Blaupause für künftige Rettungsaktionen verstehen. Prompt folgten Dementis - zu einschneidend erschien den Euro-Partnern das. Und es folgten Dementis der Dementis. Jetzt hat sich Dijsselbloem durchgesetzt.
Marode Großbanken in Europa werden künftig in erster Linie auf Kosten ihrer Eigner und Gläubiger und nicht länger mehr nur vom Steuerzahler gerettet. Die EU-Finanzminister haben sich in der Nacht zu Donnerstag in Brüssel auf Haftungsregeln für Banken geeinigt. "Die Banken werden ihre Probleme künftig vor allem alleine lösen müssen", sagte Dijsselbloem.
Als erstes müssten Aktionäre, Bankanleihebesitzer und Kunden mit Guthaben über 100.000 Euro Opfer bringen. Der Staat oder der Euro-Rettungsfonds ESM sollen demnach erst ab einem bestimmten Schwellenwert Löcher in Bankbilanzen stopfen. Frankreich setzte durch, dass den Mitgliedstaaten hier Entscheidungsspielraum bleibt. "Für die normalen Anleger und Sparer ist das eine eher theoretische Übung, aber für die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes ist das ein wichtiger Schritt", sagte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Künftig können auch Privatkunden mit Ersparnissen über 100.000 Euro Geld verlieren. Beträge bis zu dieser Grenze bleiben dagegen gesetzlich garantiert. Das Prinzip sei zwar einfach, konkret aber schwierig anzuwenden, weil die Lage der einzelnen Banken unterschiedlich sei, sagte Schäuble. Wichtig sei, Wettbewerbsverzerrungen unter den Banken zu verhindern. Deutschland, die Niederlande und andere Staaten hatten in den Verhandlungen auf eine weitreichende Gläubigerbeteiligung und möglichst einheitliche Regeln gepocht. Frankreich dagegen kämpfte für nationalen Spielraum, um im Krisenfall doch lieber früher als später wieder mit öffentlichen Geldern eingreifen zu können. Wichtig ist nach den Worten des französischen Finanzministers Pierre Moscovici, dass auch der Euro-Rettungsfonds ESM als Finanzierungsquelle ausdrücklich eingeschlossen ist.
Deutschland weigert sich für Frankreichs Banken zu zahlen
Die Richtlinie gibt den nationalen Abwicklungsbehörden weitreichende Eingriffsrechte in strauchelnde Geldhäuser. Sie können kleinere Banken künftig einfacher schließen. Die Haftung von Eigentümern und Gläubigern, das sogenannte Bail-in, greift erst bei systemrelevanten Großbanken, die sanierungsfähig und stark mit anderen Banken verstrickt sind. Ihre Pleite könnte das gesamte Finanzsystem ins Wanken bringen.
Aus Angst vor fatalen Kettenreaktionen hatten die EU-Staaten in der Bankenkrise 2008 nicht gewagt, Geldhäuser pleite gehen zu lassen. Binnen drei Jahren stützten sie die Banken mit einem Drittel der gesamten EU-Wirtschaftsleistung, größtenteils mit inzwischen abgelösten Garantien. Der irische Staat ging darüber fast pleite. In großem Stil mussten Bankinvestoren erstmals bei der Rettung Zyperns finanziell bluten. Das Abwicklungsgesetz markiert nun eine Wende.
Die Mitgliedstaaten müssen über das Gesetz jetzt noch mit dem Europäischen Parlament verhandeln. Noonan rechnet mit einer Einigung bis zum Jahresende, dann unter litauischer Präsidentschaft.
Das Gesetz zur Bankenabwicklung ist ein wichtiges Element der Bankenunion, die in der Euro-Zone aufgebaut werden soll. Die EU-Staaten hatten sich vorgenommen, die wesentlichen Bausteine dazu bis Ende Juni auf den Weg zu bringen. Abgesegnet ist bereits die zentrale Bankenaufsicht für die Euro-Zone unter Führung der Europäischen Zentralbank. Mit der Banken-Abwicklung steht eine weitere Säule. Die Reform der Einlagensicherung steht noch aus.
Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag werden die Staats- und Regierungschefs zu weiteren Schritten drängen. In der kommenden Woche will die EU-Kommission einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine engere Verzahnung der bisher nur nationalen, von den Banken finanzierten Abwicklungsfonds vorsieht. Über diesen Plan wurde schon im Vorfeld heftig gestritten. Deutschland sperrt sich gegen einen zentralen europäischen Fonds, bei dem etwa deutsche Sparkassen für eine französische Großbank einzustehen hätten.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie dringend Regeln zur Bankeninsolvenz sind, lieferte diesen die Veröffentlichung skandalöser Äußerungen von Bankern der pleite gegangenen irischen Anglo Irish Bank, die 30 Milliarden Euro öffentlicher Gelder verschlang. Zur Frage, warum er der Zentralbank eine viel niedrigere Zahl von sieben Milliarden Euro nannte, sagte der ehemalige Kapitalmarktchef laut Abschrift eines Telefonmitschnitts von 2008, bei einer realistischen Darstellung hätte es womöglich von Anfang an keine Rettungsaktion gegeben. Die Zahl habe er sich "aus dem Arsch" gezogen. Überdies verhöhnten Ex-Anglo-Irih-Bank-Topmanager die "Scheißdeutschen", die Geldeinlagen bei der Pleitebank stellten.
kst/rtr
27. Juni 2013, 07:49 Uhr
Neue Banken-Haftungsregeln
EU macht Zypern-Plan zum Bankenrettungs-Standard
Das Geradestehen von Aktionären für ihre strauchelnde Banken auf Zypern war revolutionär, bis dato zahlten die Steuerzahler. Jetzt hat die EU das Zypern-System zur Basis für künftige Bankenrettungen in der EU gemacht. Ein wichtiger Streitpunkt für Deutschland ist aber noch nicht gelöst.
Brüssel - Was war es für eine Verwirrung nachdem große Banken Zyperns in Richtung Pleite rutschten. Plötzlich sollten die Besitzer der Bank mithelfen, die strauchelnden Geldhäuser zu retten,reichere Kontobeseitzer ebenfalls - und nicht ausschließlich einfach die anonyme Masse der Steuerzahler der europäischen Union. Und noch revolutionärer: Der gerade neu angetretene Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem aus den Niederlanden will dieses Vorgehen als Blaupause für künftige Rettungsaktionen verstehen. Prompt folgten Dementis - zu einschneidend erschien den Euro-Partnern das. Und es folgten Dementis der Dementis. Jetzt hat sich Dijsselbloem durchgesetzt.
Marode Großbanken in Europa werden künftig in erster Linie auf Kosten ihrer Eigner und Gläubiger und nicht länger mehr nur vom Steuerzahler gerettet. Die EU-Finanzminister haben sich in der Nacht zu Donnerstag in Brüssel auf Haftungsregeln für Banken geeinigt. "Die Banken werden ihre Probleme künftig vor allem alleine lösen müssen", sagte Dijsselbloem.
Als erstes müssten Aktionäre, Bankanleihebesitzer und Kunden mit Guthaben über 100.000 Euro Opfer bringen. Der Staat oder der Euro-Rettungsfonds ESM sollen demnach erst ab einem bestimmten Schwellenwert Löcher in Bankbilanzen stopfen. Frankreich setzte durch, dass den Mitgliedstaaten hier Entscheidungsspielraum bleibt. "Für die normalen Anleger und Sparer ist das eine eher theoretische Übung, aber für die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes ist das ein wichtiger Schritt", sagte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Künftig können auch Privatkunden mit Ersparnissen über 100.000 Euro Geld verlieren. Beträge bis zu dieser Grenze bleiben dagegen gesetzlich garantiert. Das Prinzip sei zwar einfach, konkret aber schwierig anzuwenden, weil die Lage der einzelnen Banken unterschiedlich sei, sagte Schäuble. Wichtig sei, Wettbewerbsverzerrungen unter den Banken zu verhindern. Deutschland, die Niederlande und andere Staaten hatten in den Verhandlungen auf eine weitreichende Gläubigerbeteiligung und möglichst einheitliche Regeln gepocht. Frankreich dagegen kämpfte für nationalen Spielraum, um im Krisenfall doch lieber früher als später wieder mit öffentlichen Geldern eingreifen zu können. Wichtig ist nach den Worten des französischen Finanzministers Pierre Moscovici, dass auch der Euro-Rettungsfonds ESM als Finanzierungsquelle ausdrücklich eingeschlossen ist.
Deutschland weigert sich für Frankreichs Banken zu zahlen
Die Richtlinie gibt den nationalen Abwicklungsbehörden weitreichende Eingriffsrechte in strauchelnde Geldhäuser. Sie können kleinere Banken künftig einfacher schließen. Die Haftung von Eigentümern und Gläubigern, das sogenannte Bail-in, greift erst bei systemrelevanten Großbanken, die sanierungsfähig und stark mit anderen Banken verstrickt sind. Ihre Pleite könnte das gesamte Finanzsystem ins Wanken bringen.
Aus Angst vor fatalen Kettenreaktionen hatten die EU-Staaten in der Bankenkrise 2008 nicht gewagt, Geldhäuser pleite gehen zu lassen. Binnen drei Jahren stützten sie die Banken mit einem Drittel der gesamten EU-Wirtschaftsleistung, größtenteils mit inzwischen abgelösten Garantien. Der irische Staat ging darüber fast pleite. In großem Stil mussten Bankinvestoren erstmals bei der Rettung Zyperns finanziell bluten. Das Abwicklungsgesetz markiert nun eine Wende.
Die Mitgliedstaaten müssen über das Gesetz jetzt noch mit dem Europäischen Parlament verhandeln. Noonan rechnet mit einer Einigung bis zum Jahresende, dann unter litauischer Präsidentschaft.
Das Gesetz zur Bankenabwicklung ist ein wichtiges Element der Bankenunion, die in der Euro-Zone aufgebaut werden soll. Die EU-Staaten hatten sich vorgenommen, die wesentlichen Bausteine dazu bis Ende Juni auf den Weg zu bringen. Abgesegnet ist bereits die zentrale Bankenaufsicht für die Euro-Zone unter Führung der Europäischen Zentralbank. Mit der Banken-Abwicklung steht eine weitere Säule. Die Reform der Einlagensicherung steht noch aus.
Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag werden die Staats- und Regierungschefs zu weiteren Schritten drängen. In der kommenden Woche will die EU-Kommission einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine engere Verzahnung der bisher nur nationalen, von den Banken finanzierten Abwicklungsfonds vorsieht. Über diesen Plan wurde schon im Vorfeld heftig gestritten. Deutschland sperrt sich gegen einen zentralen europäischen Fonds, bei dem etwa deutsche Sparkassen für eine französische Großbank einzustehen hätten.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie dringend Regeln zur Bankeninsolvenz sind, lieferte diesen die Veröffentlichung skandalöser Äußerungen von Bankern der pleite gegangenen irischen Anglo Irish Bank, die 30 Milliarden Euro öffentlicher Gelder verschlang. Zur Frage, warum er der Zentralbank eine viel niedrigere Zahl von sieben Milliarden Euro nannte, sagte der ehemalige Kapitalmarktchef laut Abschrift eines Telefonmitschnitts von 2008, bei einer realistischen Darstellung hätte es womöglich von Anfang an keine Rettungsaktion gegeben. Die Zahl habe er sich "aus dem Arsch" gezogen. Überdies verhöhnten Ex-Anglo-Irih-Bank-Topmanager die "Scheißdeutschen", die Geldeinlagen bei der Pleitebank stellten.
kst/rtr